Manchmal fühlt sich ein Arbeitstag an wie 37 geöffnete Tabs im Kopf. Und keiner davon lässt sich schließen.
Der Kalender ist voll, das Postfach hat mehrere unbeantwortete E-Mails, im Team bemerkst Du einen unausgesprochenen Konflikt – und Du fragst Dich, wann genau Du eigentlich durchatmen wolltest.

Wenn Du Führungskraft bist und zugleich hochsensibel, dann weißt Du: Der Job fordert Dich oft nicht nur kognitiv, sondern auch emotional, psychisch und physisch. Du spürst Spannungen im Raum, bevor jemand den Mund aufmacht. Du nimmst Zwischentöne wahr, wo andere nur Small Talk hören. Und während Du versuchst einen Bereich zu strukturieren, rauscht schon die nächste dringende Anfrage rein.

In diesem Artikel geht es darum, wie Du mit so einem Büroalltag besser klar kommst, ohne abends auf der Couch zu kollabieren. Du bekommst fünf alltagstaugliche Impulse, die Dir helfen, Deine Energie besser zu schützen – und bei all den Reizen trotzdem bei Dir zu bleiben.

Zwei Siebe, ein Alltag – Hochsensiblität im Sandkasten erklärt

Es ist nicht die eine Sache, die zu viel ist – es ist das Zusammenspiel. Die offene Tür. Der Kollege mit den schnellen Fragen. Die unterschwellige Spannung in der Abteilung. Der ständige Wechsel zwischen Strategie und Tagesgeschäft. Und dann noch die Mail mit „dringend“, die doch gar nicht so dringend wäre, wenn man vorher einmal nachgedacht hätte.

Als hochsensible Führungskraft nimmst Du all das wahr – gleichzeitig. Du hörst, spürst, verarbeitest. Und genau das kostet Energie. Während andere in einer halben Stunde Meeting versinken, hast Du nebenbei noch zwei emotionale Stimmungen registriert, ein unausgesprochenes Machtspiel erkannt und schon überlegt, wie Du am besten deeskalierst.

Dein Nervensystem ist kein Drahtnetz. Es ist ein feines Gewebe, das Reize hochpräzise verarbeitet, analysiert und miteinander verknüpft. Das kannst Du als hochsensible Person ziemlich gut und daraus entstehen Deine Stärken. Und gleichzeitig geht halt nicht so viel auf einmal.

Neulich war ich mit meiner Tochter auf dem Spielplatz und wir haben mit großer Entdeckerinnenfreude im Sandkasten gebuddelt.

Wir haben zwei Siebe für den Sand. Ein etwas Gröberes und ein Feines. Wenn ich nun den Sand (des Alltags) auf das Sieb gebe, bleiben im groben Sieb nur die Stöckchen ein größeren Steine hängen. Das feine Sieb hingegen lässt nur den feinen Sand durch. Sonst nichts.

Ich dachte mir: Genauso ist das mit der Hochsensibilität. Ich mit dem groben Sieb zwar eine ganze Menge mehr Sand verarbeiten, weil der viel schneller durchgeht und nicht so viel hängen bleibt. Aber es fällt halt auch einiges durch Raster, was vielleicht Beachtung verdienst.

Reizüberflutung ist keine Schwäche. Es ist eine logische Reaktion eines feinen Siebes, welches versucht, genauso viel Sand zu verarbeiten, wie das grobe Sieb da drüben. Aber das feine Sieb ist eben nicht dafür gemacht, im Akkord zu sieben. Es ist dafür gemacht, Unterschiede wahrzunehmen. Strukturen zu erkennen.

Während also das grobe Sieb fröhlich vor sich hinschwenkt und nach fünf Minuten fertig ist, braucht das feine Sieb länger – es ist gründlich, achtsam und manchmal auch erschöpft von der Dichte der Eindrücke.

Ich glaube, das ist der Kern von Reizüberflutung bei hochsensiblen Menschen: Es ist nicht die Schwäche des Siebs, sondern die Qualität. Es ist nicht das „Zuviel“, das Dich überfordert – es ist das Tempo, die Menge, das Fehlen von Pausen zwischen den Durchgängen.

Mehr als nur müde – Reizüberflutung in Deinem System

Reize sind also nicht das Problem. Es ist die Anzahl der Reize.

In der Psychologie spricht man hier von einer erhöhten Reizoffenheit und verstärkter Tiefenverarbeitung (vgl. Aron, 2010). Das ist per se keine Schwäche, sondern ein neurophysiologisches Merkmal – und es bringt große Stärken mit sich. Aber es hat eben auch eine Kehrseite.

Wenn zu viele Reize gleichzeitig auf Dich einprasseln – Geräusche, Licht, Konflikte, Erwartungen, Mikrospannungen – beginnt Dein System irgendwann zu streiken. Und zwar auf allen Ebenen:

Körperlich: Du spürst eine bleierne Erschöpfung, vielleicht Kopfschmerzen oder eine innere Unruhe, die sich kaum benennen lässt. Manchmal auch Schlafprobleme oder Verspannungen – weil der Körper keinen echten „Pause-Modus“ mehr findet.

Emotional: Du wirst reizbarer, dünnhäutiger, empfindlicher gegenüber Tonlagen und Blicken. Selbst kleine Unstimmigkeiten können plötzlich wie emotionale Großereignisse wirken.

Kognitiv: Dein Denkvermögen wird träge. Entscheidungen fallen schwer. Die berühmten 37 Tabs im Kopf lassen sich nicht mehr sortieren. Du möchtest einfach nur kurz „nichts“.

All das ist eine normale Reaktion auf ein dauerhaft überaktiviertes Nervensystem – vergleichbar mit einem Rauchmelder. Wenn er piept, ist nicht zwangsläufig Feuer – aber es ist ein Hinweis, dass etwas gesehen werden will.

Und genau wie ein Rauchmelder nicht ignoriert werden sollte, braucht auch Dein Nervensystem Aufmerksamkeit. Nicht mit Panik – sondern mit Achtsamkeit. Mit dem Mut, hinzuschauen. Mit der Bereitschaft, kleine Veränderungen ernst zu nehmen, bevor der Alarm so laut wird, dass Du ihn nicht mehr überhörst.

5 alltagstaugliche Wege, Deine Energie besser zu schützen

1. Fokuszeit schaffen

Plane Dir feste Zeiten ohne Meetings, Telefonate oder Mails ein – und verteidige sie wie einen extrem wichtigen Termin. In dieser Zeit arbeitest Du an Dingen, die Konzentration brauchen. Dein Kalender darf das ruhig auch so benennen: „Fokuszeit – nicht verfügbar“.

2. Reize reduzieren, wo es geht

Du musst nicht alles mitbekommen. Schließe die Bürotür. Schalte Benachrichtigungen aus. Nutze Kopfhörer – nicht nur für Musik, sondern auch als Signal: „Ich bin im Tunnel“. Auch Earplugs können helfen. Und auch visuelle Reize zählen: ein aufgeräumter Schreibtisch hilft mehr als gedacht. Dafür muss nicht erst alles bearbeitet sein, was drauf liegt. Kaufe Dir eines schöne Box, beschrifte Sie mit „Schreibtischablage“ oder „Zu Bearbeiten“ und leg unfertiges dort hinein.

3. Pause heißt Pause

Kein Scrollen, kein „nur schnell was klären“. Sondern: Fenster öffnen oder kurz rausgehen. Atmen. Etwas trinken und essen. Vielleicht eine Hand aufs Herz legen. Zehn Minuten echtes Runterkommen wirken Wunder – für Deinen Körper, Deine Gehirnsynapsen und Deine Entscheidungsfähigkeit.

4. Klar kommunizieren

Sag, was Du brauchst. Du musst nicht erklären, dass Du hochsensibel bist. Aber Du darfst sagen, dass Du ungestört arbeiten möchtest oder eine Rückmeldung lieber morgen bekommst. Das ist Führung. Auch in eigener Sache.

5. Weniger gleichzeitig, mehr bewusst

Multitasking ist kein Talent, sondern ein Energiefresser. Beende, was Du angefangen hast, bevor Du das Nächste öffnest, so oft es geht. Und wenn Du es mal nicht schaffst: freundlich bleiben mit Dir. Du bist kein Roboter. Du bist ein feines System.

Du darfst es Dir leichter machen

Reizüberflutung liegt nicht daran, dass Du nicht richtig funktionierst. Vielleicht versuchst Du nur, mit einem feinen Sieb so viel Sand zu verarbeiten wie ein grobes – und wunderst Dich, warum Du abends erschöpft bist.

Dein Nervensystem ist präzise. Es sortiert feiner, tiefer, gründlicher – und ja, das kostet Energie. Aber es schenkt Dir auch etwas: Klarheit, Empathie, Weitblick. Du musst nicht härter werden, um zu bestehen. Du darfst lernen, bessere Strategien für Deinen Arbeitsalltag zu entwickeln.

Im Impulscoaching schauen wir gemeinsam: Wo rauscht zu viel Sand auf Dich ein? Wo braucht es Pausen zwischen den Durchgängen? Wo kannst Du anders sieben – in Deinem Tempo, mit Deinen Bedingungen?

Ich hoffe, die Impulse aus diesem Artikel helfen Dir dabei, Deinen Arbeitsalltag ein Stück reizärmer und stimmiger zu gestalten.

Und wenn Du merkst, dass ein persönlicher Blick auf Deine Situation guttun würde, dann begleite ich Dich gern in einem Impulscoaching.
Dort sortieren wir gemeinsam, in Deinem Tempo, mit Deinen Fragen. Hier findest Du alle Infos zum Angebot.